Beinahe sechs Monate nach der letzten Bundestagswahl hat Deutschland wieder eine
Regierung. Die großen demokratischen Parteien CDU, CSU und SPD haben sich nach
zähem Ringen auf eine gemeinsame Lösung geeinigt. Die vierte Große Koalition in der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland stellt die Regierung der kommenden
Legislaturperiode.
Aus der engen Zusammenarbeit mit den mittelständischen Unternehmen wissen wir,
welche Auswirkungen der jeweilige politische Ordnungsrahmen für deren
wirtschaftliche Weiterentwicklung haben kann. Daher wollen wir das aktuelle
Koalitionspapier genauer unter die Lupe nehmen und interessante Positionen
beleuchten, die für die unternehmerische Entscheidungsfindung relevant sein können.
Als Genossenschaftsbank, die seit 160 Jahren in der Region gerne für ihre Kunden da
ist, freuen wir uns sehr über die Aussage im Koalitionspapier, dass Genossenschaften
als nachhaltige und krisenfeste Unternehmensform gesehen werden. Das stärkt unsere
gelebte Verantwortung für die mittelständische Wirtschaft in der Region Mittelhessen.
GroKo aktuell
Was Unternehmer von der neuen Regierung erwarten können
Innovationen, Mittelstand und Digitalisierung
Die steuerliche Entlastung kleiner und mittelgroßer Unternehmen im Bereich der
Personal- und Auftragskosten für Forschung und Entwicklung kann die
Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland im internationalen Vergleich
erhöhen. Auch das Festhalten an Projektförderungen ist aus Sicht der
Unternehmerschaft begrüßenswert. Genauso wie der politische Wille zur Stärkung
strukturschwacher Regionen in Sachen Innovationskraft.
Die Absicht, Exportfinanzierungen mit kleinen Kreditsummen unbürokratischer und
passgenauer zu gestalten, ist für unsere Firmenkunden ein wichtiges Signal. Wir stehen
als regionale Volksbank unseren Firmenkunden unabhängig von der Kreditsumme für
Exportfinanzierungen zur Seite. Wir würden es begrüßen, wenn die Vergabe solcher
Kredite an kleine und mittelgroße Unternehmen erleichtert wird und unnötige
regulatorische Hürden abgebaut werden. Keine Finanzierung ist für unser Haus zu
klein!
"Jeder muss an der Digitalisierung teilhaben können." Eine zentrale Aussage im
Koalitionspapier, die wir ausdrücklich unterstützen. Unternehmer in unserer Region
machen in Umfragen immer wieder deutlich, welch zentrale Bedeutung der
Breitbandausbau für sie hat. Hier darf es keine Kompromisse mehr geben! Schnelligkeit
und Erreichbarkeit sind Erfolgsfaktoren und im internationalen Vergleich
unternehmerischer Leistungen nicht mehr wegzudenken. Wer zur "Weltspitze im
Bereich der digitalen Infrastruktur" gehören und die Wissensgesellschaft in unserem
Land stärken will, darf bei der Ausstattung und den richtigen Werkzeugen nicht
sparen.
Fach- und Führungskräfte
Der dauerhafte Mangel an Fachkräften gilt gerade unter regionalen Unternehmern als
das größte konjunkturelle Risiko.
Vor diesem Hintergrund ist es ein sehr gutes Signal, dass die neue Regierung die
Bedeutung der beruflichen Bildung besonders würdigt. Es wird wichtig sein, stark in
die Bildung zu investieren, damit die dringend gebrauchten Fachkräfte für Handwerk,
Handel, Dienstleistung und Industrie nachrücken. Die Absicht, unsere Schulen im Land
zu modernisieren und auch die Digitalisierung zum Schwerpunkt der schulischen
Ausbildung zu machen, begrüßen wir daher sehr. Denn der Zeitdruck infolge der
voranschreitenden Digitalisierung nimmt zu. Für die digitale Wirtschaft von morgen
braucht es sehr gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte!
Bürokratieabbau
Deutschland braucht Investitionen und Räume für "lebenswerte Städte und attraktive
Regionen". Für die bedarfsgerechte Schaffung von Gewerbe- und Wohnraum wären
schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren wünschenswert. Bürokratische
Hürden sollten abgebaut werden. Für ein wettbewerbsfähiges Land erwarten wir von
der Politik: So viel Bürokratie wie nötig, doch so wenig wie möglich.
Mittelstandsfinanzierung und Existenzgründung
Existenzgründer sollen nach dem Willen der neuen Bundesregierung besonders
unterstützt werden. Auch diesen Ansatz begrüßen wir sehr. Die geplante Befreiung
von der monatlichen Umsatzsteuervoranmeldung ist ein gutes Signal für Gründer..
Dagegen ist eine deutliche Ausweitung an Wagniskapital nicht notwendig, da bereits
ausreichend Mittel am Markt vorgehalten werden. Eine Erleichterung des
Antragsverfahrens halten wir für zielführender.
Die neue Bundesregierung möchte die klassische Mittelstandsfinanzierung über die
Regionalbanken sichern und unterstützen. Dies schließt eine weitere Stärkung der
bereits guten Zusammenarbeit zwischen den Volksbanken und Förderbanken auf
Landes- wie Bundesebene mit ein.
Steuerreform
Eine große Steuerreform, die kleine und mittlere Unternehmen signifikant entlastet,
wird angesichts der notwendigen Kompromisse wohl ausbleiben. Doch geringere
Steuerbelastungen und kürzere Abschreibungszeiten sind wünschenswert, um
Investitionen in unseren Standort Deutschland attraktiver zu gestalten. International
nehmen wir derzeit einen immer härteren Wettbewerb um Investitionen wahr. Diese
Standortpolitik hat unmittelbare Folgen für die Region Mittelhessen. Denn auch die
mittelhessischen Unternehmer richten ihre Investitionsentscheidungen danach aus.
Fazit: Neben der Förderung der mittelständischen Wirtschaft sind aus unserer Sicht
Weichenstellungen notwendig, die mehr als eine Legislaturperiode überdauern und
unsere Volkswirtschaft und Gesellschaft nachhaltig stärken. Nur so können wir
international wettbewerbsfähig bleiben, neue Hidden Champions für die Region
gewinnen und die Attraktivität der Marke "Made in Germany" weiter steigern.